Malerisch verdichtete Projektionen des Lebens
Eine Hommage für Max Manfred Queißer
Der malerische Gestus der Bilder von Max Manfred Queißer ist Ausdruck seiner ureigensten Emotionen und innersten Empfindsamkeiten. Darum bedurfte es in der Auseinandersetzung mit seiner unmittelbaren Umgebung keiner konzeptuellen Überlegungen, keines Kalküls. Mit einfachen Mitteln suchte er den eigenen Gestaltungsspielraum auszuloten und mit schöpferischer Ungeduld sein eigenes, malerisches Universum zu schaffen.
Neben dem Erfahrungsschatz der eigenen Biografie und der Einbindung der kritisch reflektierten, sozialen Wirklichkeit vermischten sich infolgedessen auf der Leinwand intellektuelle Erfahrungen und konkrete Erlebnisse eines reifen Mannes mit dem Wissen um künstlerische Belange zu einem Ausdrucksstreben, in dem die Verkörperung zahlreicher Gefühle und Hoffnungen breiten Raum einnimmt und in dem sich soziale, kulturelle und künstlerische Faktoren zu einer das Anekdotische nicht ausschließenden Zeugenschaft zusammenfinden.
In dieser Zeugenschaft geht es um Ausgeglichenheit, um verlorengegangene Harmonievorstellungen – erinnert sei hier an seine Kriegsgefangenschaft – auch um die Wiedergewinnung einer Welt, in der nicht nur die äußeren Zustände befragt, sondern die eigene Identität einschließlich ihrer Bedrohung und Verletzbarkeit aufgehoben und bestätigt werden.
Mal lyrisch, mal mehr mit dramatischen Zügen, mal spielerisch oder eher bedeutungsschwer, thematisierte Max Manfred Queißer zu Lebzeiten das widersprüchliche Verhältnis zwischen Gleichgewicht und Instabilität, zwischen Gewinn und Verlust, für das er auf der Leinwand ein offenes System an Verspannungen und Überblendungen von Formen und Farben entwickelt hatte. Die Kompositionen, in denen, sich gegenseitig steigernd, einzelne Formen und Farben durchzusetzen suchen, tragen zunehmend abstrakt-expressive Züge. Die Spuren des heftigen Malaktes, in dem gedankliche wie poetische Qualitäten aufeinandertreffen, bleiben, im Sinne eines ebenfalls schöpferischen Prozesses, für den Betrachter nachvollziehbar stehen.
Zu den wiederkehrenden Themen in der Malerei von Max Manfred Queißer gehört neben der Landschaft die menschliche Figur. Von einer skeptischen Grundhaltung ausgehend, zielte er dabei auf verallgemeinerbare, von Zeitläufen unabhängige Grundinformationen menschlichen Seins. Mit der formalen Reduktion der Gesichter, dem Verzicht auf plastisches Volumen und der Vermeidung wiedererkenn-barer Merkmale typisierte er die Gestalten zwischen Andeutung des physiognomischen Ausdrucks und der Anonymität einer Maske. Folgerichtig verliert sich in der Darstellung der Musiker die emotionale Schicht nicht in angestrengt psychologisierender Darstellung, sondern zielt auf Klarheit und Einfachheit in der bildnerischen Auffassung, die sich im Setzen bestimmter, sich wiederholender Formen bestätigt. Die Gesichtsstruktur und die Stilisierung einzelner anatomischer Merkmale demonstrieren geradezu feierliche Ruhe und selbstversunkene Angespanntheit. Stilistisch kommt hierbei ein Rückgriff auf die Ideen des Kubismus zum Tragen, in dem die gewölbten, organisch konturierten Bildformen durch kontrastreiche Tonalitäten unterstrichen werden und sich mit den angedeuteten kubistischen Volumen in zeichenhafter Reduzierung verbinden.
Künstlerische Anregungen fand Max Manfred Queißer neben der menschlichen Figur vor allem in der Kulturlandschaft des Elbtales, in den urbanen Ansichten Radebeuls oder auf ausgedehnten Reisen. Aus der Übereinstimmung von konzentrierter Beobachtung, bei gleichzeitiger Verfremdung des Gesehenen und Erlebten, wird in seinen Kompositionen die naturgegebene Landschaftsordnung, die er über eine gesteigerte und zugleich sensible Wahrnehmungsfähigkeit aufnahm, zum Ausgangspunkt seiner erzählerischen Darstellungen.
Vielstimmige, stark vibrierende Farbakkorde und eine dynamische, kantig gebrochene Pinselführung rhythmisieren die flächenhafte und illustrative Reihung der Gegenstände des Bildgefüges, in dem die Farben miteinander wetteifern oder mit den Formen um die Vorherrschaft streiten.
Zwangsläufig resultiert hieraus die allmähliche Aufgabe des unmittelbaren Eindrucks der Natur und zwingt zur Flüchtigkeit der aus der Intuition kommenden abstrakten Formen, die bestenfalls noch Assoziationen zum realen Vorbild wecken. War ihm zunächst die von seiner Weltsicht beeinflusste, symbolische Kombinatorik aus Gegenständen und Figuren eigen, so hatte sich in den letzten Lebensjahren innerhalb der zeichnerisch konturierten Bildwelt die Farbe zunehmend zum bestimmenden Element entwickelt.
Mit dem überbordenden, vitalen Rhythmus und der turbulenten Besetzung des Bildraums löste sich die Farbe mehr und mehr vom Gegenstand und folgte einer stärkeren Improvisationsbereitschaft. Dynamisch bewegte Strukturen aus Pinsellinien und Farbflecken, impulsiv auf die Leinwand projiziert und zu wirbelnden Impressionen gestaltet, entwickelten sich mehr und mehr zum Stimmungsträger mit unmittelbarer Ausstrahlung und – weniger schwelgerisch eingesetzt – als Mittel vereinfachter Abstraktion.
Die radikale Vereinfachung der Komposition wie der Verzicht auf gegenständliche Formen und tiefe Bildräume bewirken, dass die reale Welt transformiert und in ästhetische Aspekte umgewandelt wird. Max Manfred Queißers Malerei gründet auf Themen und Problemlagen, die ihn am meisten bedrängten oder seine Vorstellungen und Sehnsüchte am meisten beflügelten. Die Traditionslinie der informellen Kunst der 1940er und 1950er Jahre aufnehmend, die auf Emotionalität, Spontanität und Gefühl setzte, befragte er die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts nicht nur, sondern strebte danach, diese als Fragmente in seinem turbulenten Bildkosmos zu zitieren. Wie die Vertreter des Informel ließ Queißer sich bis zuletzt von spontanen Emotionen und psychischen Spannungen leiten, die, verbunden mit dem eigenen und dem gesellschaftlichen Erfahrungsraum, zugleich als Ausdruck energischer, sich auflehnender Selbstbehauptung gegen die Vergänglichkeit erscheinen.
Herbert Schirmer